Der Fuchs war damals schon der Jäger
OA 1992 Form Roman Epoche Moderne
In ihrem Roman Der Fuchs war damals schon der Jäger zeichnet Herta Müller in expressiven Bildern das krude, Schrecken erregende Panorama eines untergehenden Regimes und einer bis auf den Grund zerstörten Gesellschaft.
Inhalt: Die Handlung spielt in Rumänien in den letzten Tagen des Ceauçescu-Regimes. In einer öden, verfallenden Vorstadt leben die Menschen ohne jegliche Perspektive. Einst auserkoren, Helden der Arbeit zu sein, trotten sie nun mehr gleichmütig durch den Alltag. Sie sind zermürbt, ausgemergelt, lebensmüde und suchen Zuflucht im Alkohol, in Händel und Gemeinheiten. Das einzige, was von den Visionen und Verheißungen des einstigen gesellschaftlichen Experiments, das längst zum real existierenden Sozialismus verkommen ist, blieb, sind die Blechschilder mit den alten Parolen. Das gesamte Versorgungssystem, wie z. B. Elektrizität, ist zusammengebrochen, einzig das Überwachungssystem hat nichts von seiner Effektivität eingebüßt.
Die Lehrerin Adina ist von einem Gefühl permanenter Angst und Bedrohung ergriffen. Der seelische Ausnahmezustand lässt sie die Realität überscharf wahrnehmen. Noch im kleinsten Detail spiegelt sich die Verkommenheit dessen, was das Regime aus Menschen und Land gemacht hat. Ungeziefer und Insekten scheinen ihr das einzig wirklich Lebendige, die Pappeln der Nachbarschaft werden für sie zu grünen Messern, die Menschen scheinen allein in der Demütigung des anderen ihren Daseinszweck zu sehen.
Als Adina vor ihren Schülern den Ernteeinsatz der Zöglinge als Kinderausbeutung bezeichnet, wird sie zum Direktor zitiert und sieht sich statt eines Verweises mit sexueller Nötigung konfrontiert. Was Adina bleibt, ist die Freundschaft zu Clara, einer Vertrauten aus Kindertagen. Bald stellt sich jedoch heraus, dass Claras Geliebter Geheimdienstoffizier ist. Schließlich verdankt sie der Verstoßenen aber ihre Rettung, denn sie erhält von ihr den Hinweis, dass das Regime in einem letzten Versuch, die Macht zu erhalten, Massenverhaftungen plant. Adina flieht zu Bekannten, wo sie vor dem Fernseher die revolutionären Ereignisse des Regimesturzes in Bukarest und die Erschießung des Diktators und seiner Frau verfolgen kann.
Struktur: Der eigentliche Handlungsrahmen des Romans ist nur angedeutet. Ihre Spannung erzielt diese Prosa nicht durch das Geschehen, sondern durch die Intensität der eine beklemmende Atmosphäre schaffenden aneinander gereihten symbolhaften Bilder, eine für das Werk von Müller charakteristische Form der literarischen Komposition.
Wirkung: Der Roman entstand auf der Grundlage des Drehbuchs zu Der Fuchs der Jäger, der von Müller und Harry Merkle gedreht wurde. Die filmähnliche szenische Aneinanderreihung im Roman beklagten einige Kritiker, die Müller deshalb mangelnde Literarizität vorwarfen. Dennoch konnte sich die Autorin mit diesem Roman etablieren. R. F. -- Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.
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